Bericht vom Vortragsabend zum Forschungsprojekt Lübecker Märtyrer
Die Kirche fürchtet nicht den Blick der Historiker! Mit diesem Zitat von Papst Johannes Paul II. eröffnete Prof. Holzbrecher den Abend. Etwa 35 Interessierte aus der Pfarrei, aber auch aus der Stadt und dem Umfeld Lübecks hatten sich zusammengefunden, um sich über den Stand des Forschungsprojektes „Lübecker Märtyrer“ zu informieren. Das Projekt wurde im Oktober 2021 durch den Stiftungsrat Lübecker Märtyrer in Auftrag gegeben. Es soll den bisherigen Forschungsstand kritisch aufgreifen und ergänzen. Durch verschiedene, auch neu hinzugekommene Quellen, z.B. aus dem Archiv des Vatikans, soll ein aktualisiertes und wissenschaftlich fundiertes Gesamtbild der vier ermordeten Geistlichen erstellt werden. Dabei werden auch die in Lübeck beteiligten Laien im Überblick und exemplarisch in den Blick der Forschung genommen.
Ausgehend von Kaplan Johannes Prassek zeigte Holzbrecher in seinem lebendigen Vortrag auf, wie wichtig es sei, auch auf die einzelnen Persönlichkeiten der Märtyrer zu schauen. Ihr Charakter, ihre Wesenszüge und die Entwicklung ihrer Haltung im Laufe der NS-Zeit zeigen ein vielschichtiges Bild. Hilfreich seien Briefe, die erst in den letzten Jahren zugänglich gemacht werden konnten.
Weitaus schwieriger gestalte sich die Recherche über die Laien um die vier Geistlichen, darunter auch die 18 Mitinhaftierten. Es stelle sich die Frage nach einem Netzwerk, das für Unterstützung, aber auch Bestärkung der Positionierung sorgte. „Das, was 1942 mit der Verhaftung passiert ist, ist nicht vom Himmel gefallen“, stellte Holzbrecher fest. Durch verschiedene Aktionen wie das Hören von verbotenen Feindsendern, das Verbreiten der Predigten von Galens, und die Diskussionsrunden habe sich die kritische Haltung gegenüber dem Regime vertieft und gefestigt.
Weitere Fragen werfen die Ereignisse rund um den Prozess vor dem Volksgerichtshof und die Gnadenersuche auf. Sämtliche Passagen in der Anklage über die Verbreitung der Schriften des Bischofs Clemens August Graf von Galen wurden herausgenommen: Könne deshalb von einem Stellvertreterurteil gesprochen werden oder wollte man dem Löwen von Münster bewusst keine weitere Bühne bieten? Warum wurde nur ein Gnadengesuch erstellt und warum sind Nuntius und Vatikan nicht früher eingeschritten? In einem Brief der deutschen Bischöfe an den Vatikan nach Beendigung des 2. Weltkriegs heißt es: „…ob unser Schweigen in dieser Frage zu rechtfertigen war – wir haben heute den Eindruck, es hätte unserer Kirche und unserem Volk mehr gedient, wenn wir weniger geschwiegen hätten!“
Von Bedeutung sei ebenfalls die Klärung des Märtyrerbegriffs, stellte Propst Christoph Giering fest. Es gehe nicht darum, ein Martyrium zu suchen, sondern für Wahrhaftigkeit auf der Grundlage des Evangeliums einzutreten – mit allen Konsequenzen. Während der Nazi-Herrschaft habe sich der Hass gegenüber der Kirche gesteigert. Dem seien die vier Geistlichen mutig entgegengetreten. Und deshalb seien sie uns Vorbilder im Glauben.
Das Projekt unter Mitwirkung von Jochen Proske, Leiter der Gedenkstätte Lübecker Märtyrer, soll bis September 2025 fortgeführt werden. Im Oktober 2025 wird zum Thema „Märtyrer des 20. Jahrhunderts“ ein Expertengespräch in Hamburg und Lübeck stattfinden, der Abschluss des Projektes erfolgt im Winter 2025/2026.