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Was heißt Seligsprechung?

Fragen und Antworten

Selig- und Heiligsprechungen haben eine lange Geschichte. Sie werfen bei kritischen Betrachtern so manche Fragen auf. Wie bei anderen Fragen der Tradition ist es hilfreich, die Hintergründe zu kennen, um eine Sache besser einordnen und gerecht würdigen zu können. Wir versuchen in diesem Beitrag, diesen Fragen aus katholischer Sicht nachzugehen.

Was sind Heilige und Selige?

Heilige und Selige sind christliche Glaubenszeugen. Sie haben den Glauben in vorbildhafter Weise verwirklicht. Ihnen ist es besonders gelungen, ihren Glauben in ihrer jeweiligen Zeit und an ihrem Ort lebendig werden zu lassen. Durch ein besonders tugendhaftes Leben in der Nachfolge Jesu Christi, durch eine besondere geistliche Kraft oder durch den Tod sind sie ihren persönlichen Glaubensweg in der Einheit mit Gott gegangen. Nicht alle sind zwangsläufig Vorbilder für uns heute, die wir nachahmen sollten – dazu sind die Lebenswege viel zu individuell und oft auch zeitgebunden. Aber sie können anregen, über den eigenen Glaubens- und Lebensweg nachzudenken.

Was ist der Unterschied zwischen Heiligen und Seligen?

Eine Seligsprechung kann die Vorstufe zu einer Heiligsprechung sein, muss es aber nicht. Selige werden nicht weltweit, sondern nur an einem bestimmten Ort, in einer bestimmten Region oder in einer bestimmten kirchlichen Gemeinschaft verehrt, – eine Einschränkung, die nach einer Heiligsprechung entfällt.

Wieviele Heilige und Selige gibt es eigentlich?

Das ist nicht ganz genau zu beziffern. Das Martyrologium Romanum ist das offizielle Verzeichnis aller Heiligen und Seligen der römisch-katholischen Kirche. Darin sind 6650 namentlich bekannte Selige und Heilige aufgeführt sowie 7400 Märtyrer, die bei Christenverfolgungen getötet wurden und deren Namen unbekannt blieben, manchmal auch die ganz genaue Zahl. Das Buch ist 2004 neu erschienen, es wurde 1584 zum ersten Mal aufgelegt. Zuvor gab es auch lokale Verzeichnisse, aber auch Selig- und Heiligsprechungen auf Ortsebene, sodass eine wirklich exakte Anzahl nicht mehr ermittelt werden kann.

Sind denn nicht alle Christen Heilige?

Im Neuen Testament werden die Begriffe Heilige und Christen oft synonym verwendet, etwa für die Anrede einer Gemeinde in den Paulusbriefen. Auch wir sprechen von der Kirche als der Gemeinschaft der Heiligen, etwa im Glaubensbekenntnis. Christen werden deswegen heilig genannt, weil sie durch Glauben und Taufe mit Gott verbunden sind, weil sie so Anteil an der Heiligkeit Gottes haben. In diesem Sinne sind alle Christen, lebende und verstorbene, Heilige. Zugleich haben die Christen aller Zeiten immer schmerzlich erfahren, daß dies nicht automatisch dazu führt, daß sie auch ein heiligmäßiges Leben führen. Sünde gibt es auch unter Christen, ja, es sind alle Heiligen auch Sünder, wie Martin Luther immer wieder betont. Diese Spannung im Leben der Menschen gilt es auszuhalten und immer wieder zu versuchen, dem Heil im Leben mehr Raum zu geben. Uns können Menschen helfen, denen dies gelungen ist, den Heiligen, aber letztlich sind wir auf Gottes Gnade angewiesen. Rechtfertigung und Heiligung sind somit letztlich zwei Seiten einer Medaille.

Sind Selige und Heilige nicht unerreichbar für uns?

Selige und Heilige sind keine frommen Eliten. Sie wollten auch gar nichts Besonderes sein in dem Sinne, dass sie sich über andere erhoben. Im Gegenteil: Oft fühlten sie sich sündig, ungenügend oder hilflos. Und auch eine Seligsprechung will keine Über-Christen machen, sondern uns gerade vor Augen stellen, dass Menschen in ihrer ganzen Spannung – in ihrer Gebrochenheit und Sündigkeit, aber auch in ihrer Kraft und Heiligkeit – den Weg Jesu Christi gehen können. Und gerade darin groß sind.

Betet man Selige und Heilige an?

Nein! Die Seligen und Heiligen werden verehrt, keinesfalls angebetet, was nur Gott zusteht. Das zweite Konzil von Nicäa 787 hat im Bilderstreit den Unterschied für die gesamte Christenheit klargestellt. Das Konzil von Trient hat nach der Reformation verdeutlicht, dass Christus allein Erlöser und Heiland ist, die Heiligen aber angerufen und verehrt werden können. Verehren heißt jemanden wertzuschätzen, zu respektieren, zu ihm aufzuschauen oder ihn zu würdigen; es bedeutet nicht, jemanden zu vergöttern. Das wäre grundfalsch und nicht im Sinne der Kirche.

Muss man als Katholik Selige und Heilige verehren?

Für die Gesamtkirche ist es legitim und wichtig, das Zeugnis der Nachfolge dieser Menschen wachzuhalten, Vorbilder im Glauben und Leben zu haben und auch über die Jahrhunderte hinweg die Kiche als Gemeinschaft zu erfahren. So ist es möglich, die Heiligen um ihren Schutz und ihre Hilfe oder um Fürsprache zu bitten, was seit dem dritten Jahrhundert bezeugt ist. Der Einzelne braucht daraus aber keine Pflicht abzuleiten, sondern hat den Freiraum, die Heiligenverehrung in seine je eigene Frömmigkeit einzubeziehen oder eben nicht.

Darf ich die Seligen um Fürsprache bei Gott bitten?

Natürlich kann sich jeder in seinen Anliegen jederzeit an Gott selbst wenden. Um Fürsprache zu bitten ist allerdings auch unter Christen nichts Ungewöhnliches. Schon die Bibel berichtet, dass die Apostel füreinander beteten, und wer hat nicht schon mal einen Freund in einer schwierigen Lage gebeten: Bete für mich! Die Kirche sieht sich immer auch als Gemeinschaft über alle Zeiten hinweg und schließt Lebende und Verstorbene ein, so ist die Kirche eine Gemeinschaft auch über den Tod hinaus. Daher kann man auch die Christen vergangener Zeiten bitten, für einen zu beten und bei Gott Fürsprache einzulegen.

Lenken die Seligen nicht von Jesus Christus ab?

Bei manchen Menschen mag das leider so sein, aber das ist eine Verirrung. Die Seligen und Heiligen sollen vielmehr zu Christus hinführen. In jedem Leben eines Heiligen leuchtet uns Christus. Kein Heiliger hat sein Leben so geführt, weil er sich selbst damit so großartig vorkam. Jeder hat auf seine Weise versucht, in der Nachfolge zu stehen, und viele haben damit auch oft gehadert. In den Heiligen können wir erkennen, wie es uns selbst gelingen kann, Gott gläubig nachzufolgen, denn das ist der Mittelpunkt auch des Lebens der Heiligen.

Warum darf die Kirche einfach so beschließen, dass jemand selig wird?

Das tut sie nicht. Der Begriff Seligsprechung kann ein Missverständnis hervorrufen: Man könnte denken, die Kirche mache jemanden durch die Seligsprechung erst zum Seligen oder Heiligen. Dies ist nicht so. Ein Mensch kann durch die Art, wie er sein Leben in der Nachfolge Jesu Christi geführt hat und gegebenenfalls auch durch die Umstände seines Todes in besonderer Weise mit Gott verbunden sein, heilig im umfassenden Sinn. Dann dürfen wir sicher sein, dass dieser Mensch bei Gott ist. Selig oder heilig ist dieser Mensch aber schon nach dem Tod, nicht erst durch den Akt der Seligsprechung. Die Kirche stellt lediglich fest, daß sie sich darüber sicher ist. Dies erklärt die Kirche feierlich durch eine Seligsprechung.

Kann die Katholische Kirche auch evangelische Christen heiligsprechen?

Die Katholische Kirche spricht nur Katholiken selig oder heilig. Keinesfalls, weil Katholiken glauben, dass nur Katholiken dazu geeignet oder würdig sind, sondern aus Respekt vor dem Empfinden und Glauben anderer Kirchen und Konfessionen.

Wie sieht das Verfahren aus?

Zunächst muss jemand bei den Gläubigen im „Ruf der Heiligkeit“ stehen, was durch ein tugendhaftes Leben oder den Märtyrertod geschehen kann. Erst dann kann der Ortsbischof ein Verfahren einleiten. In einem ersten Schritt werden in dem Bistum, das die Seligsprechung anregt, Lebensführung und schriftlicher Nachlass des Kandidaten überprüft und Zeugen befragt. Bestätigt sich in diesem einleitenden Verfahren, dass der Betreffende heiligmäßig gelebt hat, werden die Akten an die vatikanische Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse weitergeleitet. Ein Promotor sucht auch Gründe, warum der Kandidat nicht seliggesprochen werden sollte, damit alles gerecht zugeht. Die Kongregation prüft alles Material und gibt ihr Votum ab. Schließlich legt sie die Sache dem Papst vor, der dazu seine Zustimmung erteilen muss. Die feierliche Verkündigung der Seligsprechung geschieht heutzutage in der Regel vor Ort in den Bistümern.

Was sagen die anderen Konfessionen zum Thema?

Nicht nur die Katholische Kirche kennt die Verehrung von Heiligen. Auch in der Orthodoxie gibt es Heilige. Manche von ihnen sind nie offiziell heiliggesprochen worden, sondern werden einfach von den Gläubigen verehrt. Heute geschieht die Heiligsprechung dort in der Regel durch einen Bischof. Die lutherischen Kirchen lehnen die fürbittende Funktion von Heiligen ab, erkennen aber die Beispielfunktion für die Lebensführung und die Lesart von Heiligkeit als Zeugnis der Gnade in ihren Bekenntnisschriften an und betonen in der letzten Zeit auch den Zusammenhang der Kirche als der Gemeinschaft der Heiligen stärker.

Sebastian Fiebig

 

Kerzen © Fiebig

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