Karl Friedrich Stellbrink
Porträt
Pastor Karl Friedrich Stellbrink ist nicht unumstritten. Er, der als Gegner des NS-Systems verurteilt und hingerichtet wurde, kam als Anhänger dieses Systems 1934 nach Lübeck. Stellbrink unterstützte aus einer deutsch-nationalen Grundhaltung das Programm der NSDAP und hatte 1933 den Machtantritt Adolf Hitlers hoffnungsvoll begrüßt. Dazu wird auch das romantisierte Deutschland-Bild beigetragen haben, das Stellbrink aus der Zeit seines Auslandsdienstes als Pastor deutscher Gemeinden in Brasilien (1921–1929) mitgebracht hatte.
Der Täuschung Hitlers, der sich als Christ ausgab und mit biblischem Vokabular hantierte, war Stellbrink wie viele andere erlegen. In einem längeren Prozess erwies sich für Stellbrink die Vorstellung einer fruchtbaren Symbiose zwischen Christentum und Nationalsozialismus als Illusion. Der mit einem Mantel verhängte Kruzifixus in der Vorwerker Friedhofskapelle bei der Beerdigung einer Lübecker Nazigröße war für ihn das Fanal eines Christus-Hasses, den er in seiner Palmarum-Predigt 1942 nach dem verheerenden Bombenangriff auf Lübeck mit dem Ausruf anprangerte: „Gott hat mit mächtiger Sprache geredet – die Lübecker werden wieder lernen zu beten“. Diese Predigt führte zu seiner Verhaftung durch die Geheime Staatspolizei, der die Verhaftung der drei katholischen Kapläne folgte. Mit ihnen wurden 17 Mitglieder der katholischen Gemeinde und ein evangelischer Christ in Lübeck angeklagt. Diese wurden im Prozess überwiegend zu Haftstrafen verurteilt, die – bis auf zwei Fälle – durch die Untersuchungshaft abgegolten waren.
Mit der wachsenden Einsicht in den wahren Charakter des Nationalsozialismus ging für Stellbrink einher die Annäherung an die drei katholischen Kapläne und an die Familie von de Berg, die eine zentrale Rolle in der katholischen Gemeinde Lübecks spielte. Stellbrinks in der Erziehung angelegter Antikatholizismus wich einer zunehmenden Offenheit. In dieser freundschaftlichen Verbindung wuchs die Einsicht in die Bedeutung der Predigten des Bischofs von Münster, Graf von Galen, sie enthüllten unwiderlegbar den verbrecherischen und menschenverachtenden Charakter der Naziherrschaft. Es kam zur gemeinschaftlichen Vervielfältigung und Verbreitung dieser Predigten. Darin ist die eigentliche Ursache für Verhaftung, Prozess und Todesurteil zu sehen.
Stellbrink stand wie viele andere evangelische Theologen vor 1933 in einer Tradition, die eine antikatholische und antijüdische Haltung verband, die „Gegen Rom und Juda!“ zu ihrer Devise gemacht hatte, denn beide wurden als deutschfeindlich und fremd für das „deutsche Wesen“ empfunden. Parallel zu seinem antikatholischen Affekt schwand auch seine antijüdische Einstellung.
Pastor Karl Friedrich Stellbrink ist also einen langen Weg gegangen, der aus dieser deutsch-nationalen und dann nationalsozialistischen Überzeugung, aus einer Ablehnung der katholischen Kirche und des Judentums zu den Überzeugungen führte, die ihn in seiner letzten Lebensphase bestimmten und die ursächlich wurden für seine Verurteilung.
Texterarbeitung: Ökumenischer Arbeitskreis „Lübecker Märtyrer“
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