Ansgar Lüttel: Geist und Ungeist
Himmel und Erde am 14. Juni 2011
Geistreich, Geistlos, Schöngeist, Geistlicher oder Heiliger Geist – es gibt eine Menge Wortverbindungen mit dem Zusatz „Geist“. Welcher Geist prägt unsere Zeit? Können wir frei oder besser gesagt mit Freimut sagen, was wir denken? Das wünschen wir alle, davon bin ich überzeugt: Wir möchten in Freiheit leben, wir möchten geachtet werden auch mit unseren ganz persönlichen Lebensvorstellungen und Glaubensüberzeugungen.
Diese Freiheit musste in vergangen Zeiten bitter errungen werden. Auch heute noch müssen Menschen in Unfreiheit leben. Der chinesische Künstler Ai Wei Wei verschwand von jetzt auf gleich von der Bildfläche. Wer die Macht hat, findet immer einen Grund, andere festzusetzen. Diktaturen, und geben sie sich noch so modern, ertragen Widerständler nicht.
Deutschland hat die schlimme Zeit der Nazidiktatur nun schon über 60 Jahre überwunden. Und doch dürfen die nicht vergessen werden, die damals mit Freimut widerstanden haben. Am Samstag nächster Woche werden in Lübeck drei katholische Widerständler von ihrer Kirche selig gesprochen. Mit ihnen starb ein evangelischer Pastor, an den ebenfalls mit großer Hochachtung erinnert wird. Die Herausforderungen der Diktatur und des Krieges hatten die vier zusammengebracht. Sie entdeckten eine tiefe Übereinstimmung ihrer Überzeugungen: Es ist ein schönes Zeugnis der Zusammengehörigkeit, dass evangelische und katholische Christen heute so einmütig an diese Glaubenszeugen erinnern.
Unrecht muss Unrecht genannt werden. Unterdrückung des Gewissens darf nirgendwo und niemals sein. Die Lübecker handelten nach ihrem Gewissen. Sie wussten: Gotteswort wiegt schwerer als Menschenwort. Junge Männer, alle um die 30 Jahre alt, dazu der etwas ältere evangelische Pastor, wurden verhaftet, über ein Jahr gefangen gehalten. Im Sommer 1943 hat man ihnen den Prozess gemacht, am 10. November wurden Sie hingerichtet.
Sie sind mit vielen Leidensgenossen Zeugen für ein anderes Deutschland. Sie wollten ihre Glaubensüberzeugung nicht verraten. Es ist gut, sich an sie zu erinnern.